Das Stürmer

Vorwort:

Seit mehr als einem Jahr verzichten wir aus guten Gründen auf viele Dinge, die unseren Alltag bestimmt haben. Der Kaffee in der Fußgängerzone, das Bier umme Ecke, den Kauf schlecht sitzender Hosen und überteuerter Elektronikspielzeuge und viele weitere Annehmlichkeiten entziehen sich einer möglichen Umsetzung. Der wohl schmerzhafteste Verzicht wird allerdings jeden Sonntag deutlich spürbar.

Nein, Gottesdienste gibt es auch per Livestream. Die Kreisliga und alles, was mit dieser heiligen Erfindung einhergeht, das fehlt und schlägt eine tiefe Furche in das Leben. Vor einiger Zeit haben wir hier eine kleine Kolumne begonnen, um uns vor dem besten Sport der Welt zu verneigen. Gerade jetzt sehnen wir uns wieder nach den Äckern, dem kühlen Pils (bei Nachwirkungen des Vortags sei auch ein Radler genehmigt) und den bekloppten Leuten, die sich an den Sportplätzen tummeln. Deswegen wollen wir erneut für etwas Ablenkung und Anerkennung sorgen und den eingeschlagenen Weg fortsetzen.
Wer die Texte nicht gelesen hat, sollte sich schämen, kann sie aber auf der besten Homepage der Welt nachlesen.

Kreisliga- Start einer Kolumne (oder wat auch immer)

Kabine- Schuhe bitte draußen ausklopfen!

Wichtig ist auf’n Platz!

Hütchenaufsteller, Trainer, Coach, Chef

Das Betreuer

Torhüter- Bekloppte mit Handschuhen

Verteidiger- Bekloppte mit Eisenstollen

Der/Die/Das Schiedsrichter

Training- Gemeinsames Gehampel

Vorbereitung- Qualität kommt von Qual

Das Betreuer

Das Zuschauer

Kinder- Künftige Kreisligahelden

Da wir einige Spielertypen beleuchtet haben, widmen wir uns heute dem Stürmer, der in der bisherigen Sammlung noch fehlt. Viel Spaß und bleibt sportlich!

Das Stürmer

„Das Runde muss ins Eckige!“ Diese Weisheit trifft zwar nicht immer auf die Kreisliga zu, wo die Spielgeräte nicht unbedingt den Anforderungen der Wohlfahrtsverbände FIFA und UEFA genügen, doch bringt sie prägnant auf den Punkt, worum es eigentlich geht. Die Rollenverteilung auf dem Fußballplatz ist ziemlich eindeutig und die Rolle des Torschützen findet sich in der Berufsbeschreibung des Stürmers wieder, der in erster Linie für das Bugsieren des Balles in das gegnerische Tor verantwortlich ist. Klar, auch Verteidiger dürfen bei einer Ecke mal nach vorne rennen (wenn sie genug Luft dafür haben) und die Kugel mit ihren Bummsschädeln ins Netz wuchten, doch per Definition ist dies die Kernaufgabe des Stürmers.

Helden von nebenan- knipsende Kreisligakicker

Kleine Kinder tragen gerne die Polyestershirts mit den Namen der glorreichen Stürmer, wenn sie auf dem Schulhof oder sonstwo kicken. Ronaldo, Messi, Lewandowski, Burgstaller und wie sie alle heißen. Die Gründe dafür sind so simpel, wie auch natürlich. Der Stürmer ist der personifizierte Erfolg und ohne seine herausragenden Fertigkeiten müssten wir auf das verzichten, was wir sehen wollen; nämlich geile Tore.

In den Kreisligen tummeln sich sehr unterschiedliche Typen, die diesen Job mit viel Leidenschaft ausfüllen und nur an das Eine denken. Schauen wir uns mal einige Vertreter der ehrenvollen Gilde etwas genauer an.

  • Wandstürmer: Der Wandstürmer fungiert insbesondere in den Kreisligen als Ausdruck einer gewissen taktischen Marschroute und besticht durch körperliche und technische Besonderheiten, die ihn für diese Spielweise prädestinieren. In der Regel handelt es sich bei diesen Gesellen um bullige Typen, die man sich in anderer Kleidung auch als Türsteher in der Dorfdisco vorstellen könnte. Mit dem (in der Regel stark behaarten) Rücken zum gegnerischen Tor, warten sie auf Futter in Form von kaum zu verarbeitenden Pässen, die sie in Höchstgeschwindigkeit und auf Hüfthöhe erreichen. In bester „Gerd Müller“ Manier schirmen sie die Kugel dann ab indem sie ihren dicken Hintern rausstrecken und verteilen den Ball dann wieder an die freilaufenden Mitspieler. In der Folge bringen sie sich dann im Strafraum in Position, um den entscheidenden Pass zu erhalten. Erneut wird der Allerwerteste dem Verteidiger gegen die Rippen gedonnert, damit sich der Wandstürmer den Ball zurechtlegen kann. Der nicht beneidenswerte Keeper kann sich dann schon einmal auf das wilde Herumfluchen einstellen, was nach dem Schuss zwangsläufig auf seine Verteidiger Niederprasseln wird, denn im 16er ist der Wandstürmer kaum zu stoppen. Neben den körperlichen Voraussetzungen muss aber auch ein gewisses fußballerisches Potential vorhanden sein. Den Gegner wegschieben alleine reicht eben nicht.                                                                                                                                            Einige Neider sagen dem Wandstürmer nach, dass er nicht der lauffreudigste Kandidat auf dem Platz ist, doch ein Herumturnen im Mittelfeld und auf den Außenbahnen wäre ein Missachten seiner Berufung.
  • Road Runner: Das moderne Fußballspiel verlangt höchste Disziplin in der Herausarbeitung von körperlichen Voraussetzungen. Ernährung, Fitness und Social Media müssen in angemessener Weise Beachtung finden. Bei den Stürmern gibt es einen Typus, das ein Ass im Ärmel hat, welches an Wettbewerbsverzerrung grenzt. Er ist wieselflink, klein und wendig. Die vom Schocken des Vortags geplagten Verteidiger sind nicht zu beneiden, wenn der Wirbelwind Fahrt aufgenommen hat. Wenn eine Mannschaft einen solchen Stürmer in den eigenen Reihen hat, gibt es gewisse Ausrufe, die regelmäßig über den Platz gebrüllt werden. „Schicken!!!“, „Spiel die Linie lang!“ oder auch „Renn, gib Gummi, zieh nochmal, den kriegste noch!“ schallt es dann und die Kühe auf der Weide nebenan bekommen es mit der Angst.  Die Pässe, die der Road Runner erhält, sind oftmals eine Schweinerei sondergleichen, denn in der Fehlinterpretation der Lauffertigkeiten wird der kleine Sprinter regelmäßig mit Usain Bolt zu dessen besten Zeiten verwechselt. Scherzhaft wird dem vergeblich Rennenden dann mitgeteilt, dass er zu langsam sei. Da der Kerl trotz seiner Geschwindigkeit in der Kreisliga herumdüst, muss die Sache ja irgendeinen Haken haben und der ist dann in der Präzision der Abschlüsse zu finden. Hochkaräter werden das eine oder andere Mal ausgelassen, wenn der Leichtathlet unter den Kickern 5 Gegner hinter sich gelassen hat und völlig aus der Puste das leere Tor verfehlt.

 

  • Das Laufungeheuer: Dieser Stürmer ist über einige Ecken mit dem Wandstürmer verwandt und zeichnet sich durch einen eng begrenzten Bewegungsradius aus. Meist treibt er sich am oder im Strafraum herum und schleicht zwischen den verwirrten Verteidigern her. Aufgrund seiner kaum nachweisbaren Laufleistung kommt es irgendwann zur fatalen Fehleinschätzung der Gegner, dass es sich bei diesem Burschen um einen gefahrlosen Angreifer handelt, der die 90 Minuten zum Ausnüchtern an der frischen Luft nutzen möchte. Doch dann kommt zwangsläufig der Moment des Erwachens, wenn die Kugel schließlich beim Laufungeheuer landet. Dieser fackelt nicht lange und hämmert das Kunstleder unhaltbar in den Knick. Statt ausgelassen zu jubeln, wandert der Torschütze anschließend im Energiesparmodus zur Mittellinie und überlässt das frenetische Feiern seinen Mitspielern.

 

  • Der Hüne: Frische Landluft trägt dem Volksmund nach zu einem außerordentlichen Wachstum bei, weshalb in den Kreisligen immer wieder Spieler anzutreffen sind, die sich oft die Frage anhören müssen, ob sie nicht Basketball spielten. Diese Riesen erzielen ihre Treffer in der Regel mit der Birne, denn aufgrund ihrer Konstitution (stelzenlange Beine) fällt die Verarbeitung bodennaher Anspiele naturgemäß schwer. Der größte Verteidiger, der dem Hünen bis an die Nippel reicht, wird bei Ecken zur Bewachung abkommandiert, kann letztlich aber auch nur mit den bekannten Mitteln (trash talk, Schnürsenkel öffnen und schuppen) Widerstand leisten.

 

  • Der Rhetoriker/Chancentod: Auch wenn unsere Kreisligahelden immer mit (wortwörtlich) vollem Einsatz dabei sind, gibt es auch Spieler, denen es einfach nicht vergönnt sein soll. Sie verballern alles, was ihnen vor die Schochen kommt. Das leere Tor wird mit Anlauf um einige Meter verfehlt, der Ball fliegt über den Fangzaun, der erst kürzlich erhöht worden ist oder die Murmel kullert in die aufnahmebereiten Pfoten des Torhüters. Diese Gattung versucht ihre vertanen Chancen allerdings auf rhetorisch anspruchsvolle Weise zu erklären. „Da kam ein Windstoß!“, „Der ist vorher aufgesprungen!“ oder auch „Das Tape von meinem Schuh hat sich gelöst!“. Wenn es dann aber mal soweit ist und irgendwann ist es immer soweit, dann hämmert der Chancentod einen Sonntagsschuss auf 30 Metern in den Knick. Diesen zufälligen Vorfall schmiert er seinen kritischen Mitspielern bei jedem Mannschaftsabend aufs Brot und erzählt noch den Urenkeln von diesem ereignisreichen Nachmittag in irgendeinem Dorf. Das Tor wird natürlich von Erzählung zu Erzählung spektakulärer.

Man kann es drehen und wenden, wie man möchte. Ohne Stürmer weniger Tore. Daher sind unsere Knipser das Salz in der Suppe, auch wenn sie manchmal gewaltig einen an der Klatsche haben, was allerdings auch die Voraussetzung für das Spielen in der Kreisliga ist.