Als wir uns der bemitleidenswerten Person des Trainers widmeten, wurde das sogenannte Training bereits kurz beleuchtet. Heute wollen wir das Flutlicht auf volle Pulle stellen, um die wöchentlichen Vorbereitungen auf den Plätzen besser in Augenschein nehmen zu können. Alle Angaben ohne Gewähr und Sachlichkeit. 😉
Die Kreisligahelden treffen sich in der Regel zweimal wöchentlich am Vereinsgelände, damit sie die Fertigkeiten, die sie beim Playstation-Spielen und der Sportschau gesehen haben, einüben können. Exemplarisch werden wir das Unmögliche versuchen und den Ablauf eines typischen Kreisligatrainings darstellen.
Treffen: Nehmen wir einmal an, dass es eine fest vereinbarte Zeit gibt, zu welcher die ballverrückten Chaoten in voller Montur und zu allem bereit auf dem Platz zu stehen haben. Nun nehmen wir einmal an, dass es sich bei dieser Zeit um 19 Uhr handelt, damit wir der ganzen Geschichte auch den Anschein von Chronologie und Glaubwürdigkeit geben können.
18:00 Uhr: Das Smartphone des Trainers vibriert unablässig. Abmeldungen (Goldfisch hat sich verschluckt, Update an der Playstation dauert zu lange), Verspätungen (Verdauungsprobleme, Autoschlüssel verlegt) werden angekündigt und kommuniziert. Der mühsam und detailliert vorbereitete Trainingsplan landet im Papierkorb. „Alles wie immer.“
18:05 Uhr: Zwei bis drei Spieler parken ihre Vehikel auf dem Vereinsparkplatz, schultern ihre müffelnden Taschen und schlendern in die Kabine. Gemächlich kostümieren sie sich als Profifußballer, entnehmen der obligatorischen Balltonne ein Spielgerät und pöhlen schonmal ein bisschen. Warmmachen ist was für Luschen und Memmen.
18:20 Uhr: Weitere Autos rollen auf das Gelände. Mit glühenden Zigaretten im Mundwinkel marschieren die nächsten Spieler zielstrebig zu den Aschenbechern und gönnen sich einen Schluck Zuckerwasser. Der Trainer stößt hinzu und begrüßt die rauchenden Laufwunder. Das Handy vibriert erneut, ein anderer Spieler kommt ebenfalls später, er müsse noch einkaufen gehen. Während der Trainer missmutigen Schrittes in den Abstellraum schreitet und Hütchen, Pylonen und anderes Gedöns schultert, werden die Kippen ausgedrückt.
18:30 Uhr: Verschiedene Felder mit bunten Plastikmarkierungen zieren das Spielfeld, die ersten Spieler treffen sich zum obligatorischen 5 gegen 2. Im Volksmund auch unter „Schweinchen in der Mitte“ bekannt. Der Trainer genehmigt sich noch einen Beruhigungstee, denn das Handy vibriert schon wieder.
18:45 Uhr: Mit quietschenden Reifen halten 2 Fahrzeuge auf dem Parkplatz. Dynamisch wie Schnecken auf Valium verlassen mehrere Spieler den verqualmten Innenraum und nähern sich dem Vereinsheim. Dort warten bereits 2 von den Verletzten (Aua aua Knie und kaputte Hand) mit einem Bier am Hals und begrüßen die Valiumschnecken. Derweil kann man regelmäßig verschiedene Ausrufe vernehmen. „Kostet!“ „Klingeling!“ „Mach doch mal die Beine zusammen!“ Zum Verständnis. Die Mannschaften in den Gefilden der Kreisligen finanzieren den Kauf von Getränken, Sportkleidung und die Umsetzung der sogenannten Mannschaftsfahrten durch ein internes Sanktionssystem, bei welchem bestimmte Verfehlungen (getunnelt werden, zu spät zum Training/Spiel, irgendwelche Brocken vergessen…) mit teils empfindlichen Finanzstrafen belegt werden.
18:59 Uhr: Jede Mannschaft hat diesen einen Typen. Ein staubiger kleiner Polo heizt auf den Parkplatz und bleibt mit einem tinnituserzeugendem Geräusch in einer Parklücke stehen. Aus dem Schrotthaufen steigt ein bereits im Sportaufzug befindlicher Kerl, sprintet in Richtung Kabine und betritt den Platz um Punkt 19 Uhr. Geiler Typ!
19:00-19:15 Uhr: Tröpfchenweise schließen sich die Nachzügler den für die Mannschaftskasse wichtigen 5 gegen 2 an. Doch genug gepöhlt, so langsam wird es ernst. Der Coach ruft seine Schützlinge zusammen, diese versammeln sich im Kreis. Ein Hampelmann ist immer dabei, der während der Ansprache in bester ADHS-Manier herumhopst, Mitspieler tunnelt oder anderweitige Auffälligkeiten zeigt. Häufig sind es die Torhüter, die sich derart präsentieren.
19:16 Uhr: Ansprache. Der Trainer reflektiert das vergangene Spiel. Er kritisiert den Blutalkoholspiegel von einigen Spielern. „Nächstes mal wäre es wünschenswert, wenn ihr nicht direkt aus dem Club zum Platz kommt, sondern 2-3 Stunden Schlaf abbekommt. Und Zähneputzen hat auch noch niemandem geschadet.“ Die Betroffenen tauschen verschwörerische Blicke aus und nicken gehorsam. Dann wird der Ablauf der heutigen Einheit besprochen. Die Torhüter sollen sich getrennt von dem Rest der Truppe „warmmachen“. Lauf-ABC, Dehnübungen, eine Passübung mit Freilaufbewegungen, Unterzahlspiel, verschiedene Torschussvariationen und ein launiges Abschlussspiel stehen heute auf der Tagesordnung.
19:20 Uhr: Warmlaufen. In immer kleiner werdenden Kreisen umrunden die Spieler den Platz. Diejenigen, die über eine gewisse Grundkondition verfügen, tauschen sich über unterschiedliche Themenbereiche aus. Bundesliga, Playstation, Partys am Tag vor dem nächsten Spiel, romantische Geschichten und anderweitige Nichtigkeiten. Einige hecheln hinterher und versuchen bei den verschiedenen Übungen nicht über ihre Beine zu stolpern.
Die Torhüter plaudern und führen ebenfalls einige Laufübungen durch während sie sich den Ball umständlich hin und her werfen.
19:35 Uhr: Nun dehnen die Trainingsteilnehmer ihre Bänder mittels Übungen, die man so nur von der legendären Fernsehsendung „Tele-Gym“ kennt. Währenddessen wird weiter geplaudert und gescherzt. Die Blicke wandern zur aufgebauten Passübung. Fragezeichen zeichnen sich in den Gesichtern ab. Die Torhüter dehnen sich ebenfalls und lassen dabei den Ball um die unförmigen Körper kreisen.
19:42 Uhr: Der Trainer verteilt die zweifelnd dreinblickenden Spieler an verschiedene Positionen und erläutert die durchzuführende Übung. Die Situation erinnert an den Schulalltag. Der Lehrer erklärt die Funktionsweise der Polynomdivision und fragt die müden Schüler, ob sie noch Fragen hätten. Wie in den Klassenräumen, zeigen die Spieler keine Reaktion. Der erste Durchgang beweist, dass aber auch gar Nichts verstanden wurde. Die Pässe landen bei den falschen Abnehmern, die Laufwege variieren von ziellos bis komplett daneben. Nach mehreren Anläufen in Zeitlupe haben die Spieler den komplexen Vorgang verinnerlicht, scheitern nun allerdings eher an ihren technischen Fertigkeiten. Dennoch ist der Trainer durchaus zufrieden, da phasenweise fußballähnliche Aktionen zu betrachten sind.
Die Torhüter schießen sich mit den obligatorischen Dropkicks warm. Diese simple Übung bestätigt sie in ihrer Positionswahl, da die Keeper die Passübung trotz intensiver Betrachtung noch immer nicht verstehen.
20:03 Uhr: In einem mehrere Zonen umfassenden Feld wird nun das Unterzahlspiel (oder Überzahlspiel, je nach Perspektive) betrieben. Die Mannschaft mit den Leibchen muss den Ball von der anderen Mannschaft erobern und in dessen Zone eindringen. Diese Übung ist sehr laufintensiv, weshalb sich einige Teilnehmer nach einem Sauerstoffzelt sehnen.
Die Torhüter liegen auf dem Boden und werfen sich die Pille zu. Dann hampeln sie vom Pfosten zur Mitte, nur um dann wieder zum Pfosten zu springen und dabei einen lasch geschossenen Ball zu erhechten. Kraftsparend wechseln sie sich die faulen Hampelmänner ab.
20:21 Uhr: Torschuss. Endlich klingelt die Kasse wieder, denn viele der Bälle fliegen über den Ballfangzaun. Homerun! Die Spieler passen sich die Kugel zu, legen ab und feuern aus allen Lagen. Es werden fast sekundenweise Sprüche geklopft, Dieter Bohlen wäre stolz. Die Torhüter wechseln sich ab und dürfen sich bei jedem Einschlag ins Netz anhören, dass sie auch gerne mal einen Ball halten dürfen. Um das Torschusstraining zu seinem glorreichen Ende zu bringen, legen sich alle Spieler den Ball an der Strafraumgrenze zurecht. Vorher wird eine Mindestanzahl an Treffern vereinbart. Wird diese nicht erreicht, müssen die Versager eine Sprintübung, Liegestütze etc. machen oder einen Kasten Bier spendieren. Wird diese Zahl jedoch erreicht, gilt selbiges für die behandschuhten Torwächter.
20:45 Uhr: Abschlussspiel. Entweder frei Schnauze oder mit einer begrenzten Anzahl von Ballkontakten treten nun 2 Mannschaften gegeneinander an. Die Verlierermannschaft muss entweder die Unzahl von Hütchen einsammeln, das Tor wegtragen oder sich an einer Getränkespende beteiligen. Hochmotiviert gehen die Spieler zu Werke und füllen die Mannschaftskasse. Letztes Tor entscheidet. Unerwartete Sprintfähigkeiten werden dargeboten und ein schier unmenschlicher Einsatz wird gezeigt. Es geht um alles. Ein abgefälschter Schuss kullert ins Tor. Die Leibchen haben verloren und müssen nun ihre Schulden begleichen. Die Truppe ohne Leibchen verlässt den Platz zufrieden und bedient sich erstmal am Kühlschrank.
21:15 Uhr: Abgekämpft, geschunden und vollkommen erschöpft haben sich die Spieler nun auf der Anlage verteilt. Einige sitzen vor dem Sportheim und führen abwechselnd Kippe und Kanne zum Mund. Andere sitzen an der Theke und nehmen dort ihre Getränke (auch Zeug ohne Alkohol wird getrunken!) zu sich. Die Duschen laufen auch bereits auf Hochtouren und verwandeln die Räumlichkeiten in ein Dampfbad. Die Spieler puhlen die Granulatkugeln aus den Körperöffnungen und verteilen ihr Shampoo an diejenigen, deren Tasche mal wieder nicht ordentlich gepackt wurde (früher wurde das noch zuverlässig von den Elternteilen übernommen…). Die Unverbesserlichen versuchen sich noch am Lattenschießen bis das Flutlicht erlischt.
22:05 Uhr: Die letzten Sportler verlassen das Gelände und freuen sich auf die nächste Einheit. Die stinkenden Schuhe werden bis dann kein Tageslicht erblicken.