Wir Deutschen meckern und jammern bekanntlich sehr gerne. Das Wetter ist zu kalt, zu heiß, zu wechselhaft, zu beständig. Der Aufschnitt ist zu billig, zu teuer, zu fettig, zu mager. Der Fußballer und der Richter über dessen Leistung, der Fußballfan, haben ebenso jemanden, über den sie sich so richtig deutsch aufregen können.
Wie aus der Überschrift zu entnehmen, geht es um den Spielverderber, den Schiedsrichter. Hier soll es nicht um die semiprofessionellen Bundesligahoyzers gehen und auch nicht um die Kölner Kellerkinder, die vor ihren Monitoren vor sich hin gammeln. Hier geht es um Leidenschaft, also um die heiß geliebte Kreisliga.
Zunächst einmal stellt sich die Frage, wie man von der Persönlichkeit her aufgestellt sein muss, um die Sonntage auf den Kuhweiden des Kreises damit zu verbringen, sich von 22 schlecht erzogenen Männern und deren Anhang bepöbeln und beleidigen zu lassen? Die Androhungen körperlicher Gewalt wollen wir mal außen vor lassen. Sicherlich gibt es da mehrere Faktoren, welche eine solch selbstzerstörerische und masochistische Entscheidung ermöglichen.
Viele Kicker beschweren sich darüber, dass der gerade das Spiel verpfeifende Unparteiische wahrscheinlich nie selbst so gekonnt gegen das Leder getreten hat, wie sie. Bestimmt wurde der Neutrale als Kind immer als Letztes gewählt und schwor sich beim Sortieren der Briefmarkensammlung, dass er es allen heimzahlen werde. Diese Verschwörungstheorie kann ich so nicht bestätigen, denn die meisten talentfreien Pfeifen haben ihre Talentfreiheit auch jahrelang im Verein zur Schau gestellt.
Die nächste Verschwörungstheorie zielt in Richtung des menschentypischen Machtgedankens. Der Schiri hat zuhause bestimmt nichts zu melden und möchte wenigstens einmal in der Woche den dicken Max raushängen lassen. Auch hier muss ich feststellen, dass dies ein Irrglaube ist. Da die psychologischen Hintergründe für die Wahl der Freizeitbeschäftigung meist in den Bereich des Spekulativen abrutschen, wollen wir uns doch mal lieber den unterschiedlichen Schiedsrichtertypen widmen, die sich in unserer herrlichen Kreisliga herumtreiben.
Der Mittelkreis: Ein Adlerauge vor dem Herrn. Meist mit stattlichem Bierbauch ausgestattet, wandert er im Bereich des Mittelkreises umher und dirigiert die laienhaften Fußballer mit Entscheidungen, die von erstaunlicher Erfahrung zeugen. Selbst aus 50 Metern Entfernung erkennt und beurteilt er Situationen, die den Videoschiedsrichter Schweißperlen auf die neutrale Stirn zaubern würden.
Der Jüngling: Oft in Begleitung eines Elternteils anzutreffen, möchte sich der picklige Bube das erarbeiten, was den Mittelkreis ausmacht, Erfahrung. Gerade für den Jüngling können die 90 Minuten zur Tortur werden, wenn er „falsche“ Entscheidungen trifft. Pöbeleien, Hinweise auf die Unerfahrenheit und potentiell strittige Entscheidungen (jede Entscheidung ist strittig, da sich irgendjemand immer aufregt), können schonmal zum heiteren Kartenzücken führen. Doch gerade den heranwachsenden Schiedsrichtern sollte man mit Geduld begegnen. Es ist wie mit allen ungemütlichen, wichtigen und zu wenig wertgeschätzten Berufen (Pflegekräfte, Lehrer*innen, Erzieher*innen, Krankenhauspersonal usw… . ); es fehlt der Nachschub und pöbelnde, drohende und sonstig auffällige Anfeindungen machen es nicht einfacher an mehr Schiris zu kommen.
Der Choleriker: Bereits bei der Passkontrolle macht der Choleriker allen Anwesenden klar, wer hier das Sagen hat. Die üblichen Anmerkungen während der 90 Minuten, wie „Ey Schiri!“, „Der schubst doch!“ etc. werden gekonnt niedergebrüllt und bei Wiederholung mit dem Zeigen bunter Karten belohnt. Nach dem Spiel zeigt sich der Choleriker an der Theke aber auch oft von seiner sanften Seite, da er seine Stimmbänder während des Spiels maximal überlastet hat.
Der Kommentator: Ein sehr kommunikatives Wesen ist der Kommentator. Auch ungefragt erläutert er die Hintergründe seiner Entscheidungen in aller Ausführlichkeit. „Ich habe das Spiel laufen lassen, da der Spieler mit der Nummer 8 meine Sicht unvorteilhaft beeinflusst hat.“ Auch die persönlichen Strafen kommen immer mit einer Begründung daher. „Ich habe ihnen die gelbe Karte gezeigt, da Sie der Nummer 9 bereits dreimalig den Ellbogen in die Rippen drückten. Achten Sie fortan bitte auf eine weniger körperliche Interpretation der Zweikampfführung.“ Diesem Typus kann man nur schlecht böse sein, da er seine Entscheidungsfindung höchst transparent gestaltet.
Der Schweigemönch: Das Gegenteil des Kommentators findet sich natürlich auch in unserer Liste. Der Schweigemönch verzichtet auf unnötiges Gequatsche und handelt. Wenn man Fragen bezüglich der getroffenen Entscheidungen haben sollte, wird empfohlen, diese für sich zu behalten, da eine Antwort eh nicht zu erwarten ist.
Die beleidigte Leberwurst: Auch solche Kandidaten sind als Entscheidungsträger auf den Plätzen zu finden. Hier ist zu empfehlen auf jegliche Art der Kritik gänzlich zu verzichten. Auch ein höflich formulierter Hinweis, wie „Herr Schiedsrichter, könnten Sie bitte auf die korrekte Ausführung des Freistoßes achten?“, könnte zu Verwarnungen führen. Oft fordern diese Typen einen angemessenen Tonfall ein, können aber selber nicht Du von Sie unterscheiden.
Der Souveräne: Ja, trotz der genannten Beispiele soll hier kein falscher Eindruck entstehen. Es gibt auch die Glücksfälle. Schiedsrichter, die sich auf ein Spiel vorbereiten (teils sogar die Namen der Ballkünstler abgespeichert haben) und von Beginn an einen respektablen Umgang vorleben. Sie tun das, was von einem Unparteiischen verlangt wird. Unaufgeregt leiten Sie das Geschehen auf dem Acker an, erklären bei Bedarf, reagieren konsequent und fair und nehmen sich selbst nicht zu wichtig oder zu ernst.
So oder so, ohne Schiedsrichter kein Fußball. So einfach ist die Rechnung. Wer meint, dass er es eh besser kann, soll sich bitte der entsprechenden Ausbildung unterziehen und sich bei seinem Heimatverein anmelden. Denn Schiedsrichter sind Mangelware. Vielleicht sollte man sich als Zuschauer mit beleidigender Kritik zurückhalten und sich diese für die Bewertung des eigenen Handelns aufsparen.