Mit großem Respekt kann man heute auf die Zeit der Gründung des ersten Sport- und Fußballvereins im Jahre 1928, dem Ballspiel-Verein (BVS), zurückblicken.
Es war eine Zeit, in der wohl guter Sport betrieben wurde, aber noch nicht auf den Dörfern in der Größenordnung wie Scheidingen. Vor allem kannte man den heutigen „König Fußball“ in seiner Ausweitung und Dimension noch nicht. Erforderliche Eigeninitiativen konnten hier nur durch Mundpropaganda umgesetzt werden. Von Gemeinde und Staat wurden solch kleine Vereinsgebilde nicht gefördert. Die damaligen Fußballverbände hatten nicht die Mittel zur Beihilfe bei der Schaffung von Sportanlagen kleiner Vereine. Hier gab es nur die Selbsthilfe in Form von körperlicher Eigenleistung, die sogar hier und da mit kleinen Spenden anerkannt wurden. Sei es in Form von Verköstigung der freiwilligen Helfer oder durch kleinere Geldbeträge.
Hochprozentige Getränke wurden auch gerne entgegen genommen.
Aber die Gesellen auf der Schneiderstube des Schneidermeisters Heinrich Wigger mit einigen anderen Getreuen in Scheidingen, die sich dem Fußballsport verschrieben hatten, ließen nicht locker, und setzten sich bahnbrechend für das heutige Fußballdorf Scheidingen durch.
Trotz begeisterter Werbung durch Mundpropaganda und Besprechungen in versammlungsähnlichen Zusammenkünften in der Gaststätte Seithe, fehlten für den Anfang die notwendigen Geldmittel. Es blieb also nur die Selbstfinanzierung übrig.
Bekanntlich herrschte damals im Lande unter der Regierung des Reichspräsidenten Otto von Hindenburg auf der Basis der Weimarer Verfassung große Arbeitslosigkeit, so dass nur ein Teil der inzwischen mehr und mehr sportbegeisterten jungen Menschen in Scheidingen in Lohn und Brot standen. Die Arbeit hatten, hatten auch meist nur einen sehr spärlichen Verdienst.
Man „sammelte“ aktive Fußballer bei freiem Training auf der Kuhweide der Gaststätte Seithe. Diese Weide liegt jetzt übrigens im Hahnenkopf. Damals gab es einen Zugang von der Werler Straße. Es sei bemerkt, dass es eine echte Kuhweide war, mir großen Kuhfladen, extrem schief und uneben.
Das zur damaligen Zeit eine Kuhweide für sportliche Zwecke hergegeben wurde, ist besonders hervorzuheben. Niemand hat damals daran gedacht, dass man mit Sportvereinen nach dem Spiel gutes Geld verdienen kann. August Seithe tat dies aus sozialen Gründen und weil er Spaß an dem Sport gefunden hatte. Auch in den Jahren nach der Vereinsgründung, hat August Seithe sich immer als unterstützender Vereinwirt gezeigt.
Auf dem vorher bezeichnetem Platz wurde zuerst allgemein geübt, bis die Dinge immer ernster und ernster wurden. Man hat dann die bis dahin bekannten Spieler zusammengetrommelt, und im Frühjahr 1928 die Vereingründung vollzogen.
Leider sind keine Protokolle oder Niederschriften erhalten geblieben. Auch die gesamten Vereinsunterlagen sind nicht mehr vorhanden. Sie sind in den Wirren des 2.Weltkrieges alle verloren gegangen.
Nachweislich ist aber bekannt, das sich der erste Vorstand des BVS Scheidingen wie folgt zusammensetzte:
1. Vorsitzender Paul Reinert
2. Vorsitzender Franz Melchers
Schriftführer und Kassierer wurde Willi Scharwey.
Dem ersten Spielauschuß gehörten folgende Personen an:
Alfred Hansel
Fritz Hering
Theodor Kaune
Theodor Stemann
und dem Spielführer der Mannschaft
Hiernach begann erst die schwierige organisatorische Arbeit. Wenn man die Herrichtung des Sportplatzes bedenkt, so muss es eine Meisterleistung gewesen sein, diese Kuhweide als Sportplatz zu gestalten. Das Gelände hing in seiner gesamten Länge zum Landwehrbach hin sehr stark. Es war nicht selten, dass in wasserreichen Zeiten der untere Sportplatzteil meterweise Wasser führte. Die Sportplatzgrenze verlief nämlich genau längs des Ufers, wo sich auch der Weidezaun befand. Aus der fast ständig sumpfigen Weidenecke Werler Straße/Sauerbrei mussten unmögliche Ecken geschossen werden. Oft erreichten trotz größter Anstrengung die getretenen Eckbälle nicht mal den 16 Meter-Raum. Und dieser mit Mini-Außenmaßen bestehende Platz wurde in Eigenleistung zu einem bespielbaren Platz hergerichtet, auf den man stolz war.
Zuschauer hatten auf dem Platz zwischen Feldspielgrenze und Grundstücksgrenze Stemann/Volke nur einen Streifen von knapp einem Meter zur Verfügung. Dies reichte aber auch durchweg aus, denn die Zahl der Zuschauer konnte man meist an zwei Händen abzählen. Denn die meisten Zuschauer standen auf der höher gelegenen Werler Straße, und beobachteten von da die Spiele. Die meisten scheuten den damaligen Eintritt von 10 Reichspfennig. Auf der öffentlichen Straße durfte ja nicht kassiert werden. Später wurde der Eintritt auf 20 und 30 Reichspfennig erhöht. Um diesem Übel Herr zu werden, kam man auf die originelle Idee eine Sichtblende zu errichten. So wurde auf einer Länge von 40 Metern Jutesäcke zusammengenäht und an Stangenbohnen befestigt. Die Näharbeiten hatten die Gesellen des Schneidermeisters Heinrich Wigger ausgeführt. Die Zuschauer der Werler Straße waren empört. Doch die Aktion brachte Erfolg, und immer mehr Zuschauer kamen nun direkt auf den Platz. Nach 2 Monaten konnte die Aktion dann abgeblasen werden.
Franz Melchers übernahm 1930 die Vereinsführung. Die anderen Funktionen blieben unverändert. 1933 gesellte sich Franz Westerhoff als offizieller Vereinskassierer hinzu. Die Spieler, insbesondere der Spielführer, Fritzchen Krämer, nahmen mehr und mehr Einfluss auf die technische Leitung des Spielbetriebs.
Der Schriftführer Willi Scharwey war in seiner Art sehr bestimmend und direkt. Er besaß ein hohes Maß an Flexibilität. Er erwarb sich hohe Anerkennung im Verein, denn in kritischen Zeiten hielt er den Laden immer wieder zusammen.
Die 1. Mannschaft war das Juwel des Vereins. Sie wurde von Fritz Krämer trainiert. Entgegen der Anfänge, durften ab 1933 nur noch die besten Spieler in dieser Mannschaft spielen. Sie besaß ein ungewöhnlich hohes Maß an Disziplin und so schaffte man den Sprung in die Bezirksklasse, in der man sich auch bis 1939 hielt. Die Spieler mussten sich auch ihre komplette Ausrüstung selbst kaufen. Auch die Stutzen und die Hosen. Für viele junge Familien in der damaligen Zeit eine enorme Belastung.
BVS Scheidingen 1.Mannschaft am 01.091930 in Paderborn |
Von Vorne: Josef Ester, Heiner Foschepoth, Heinz Wilms, Willi Novak, Josef Nunnemann, Wilhelm Schrieversmann, Franz Reinert, Heinrich Schnabel, Paul Reinert, Theo Busemann, Heinrich Hering.
Das Treiben des BVS Scheidingen war der Kirche ein Dorn im Auge. War man doch nicht sicher was die Sportler wirklich so trieben. So gründete der Scheidinger Pfarrer und Präses Ordner am 24.03.1931 kurzerhand einen eigenen Verein, der sich Turn und Sportverein DJK Alemania Scheidingen nannte. Dieser wurde von der Kirche gesponsort. Die Spieler bekamen die ganze Ausrüstung und alle Gerätschaften gestellt. Dies machte dem BVS natürlich schwer zu schaffen.
Trotzdem wechselten so gut wie keine Spieler der 1.Mannschaft des BVS zur DJK. Einige Spieler der 2.Mannschaft und der Jugend, die in den Anfängen natürlich ein stiefmütterliches Dasein beim BVS fristeten, wechselten aber doch zur DJK.
DJK Scheidingen Jugendmannschaft 1932 |
V.l. Eberhard Schürhoff,
Josef Stemann, Fritz
Deitel, Theo Loeser,
Ferdinand Comblain,
Alois Ester, Willi Langohr,
Fritz Eickmann, Karl
Comblain, Josef
Vickermann, Fritz
Jackenkroll, Theo Greve,
Wilhelm Stratmann
Als 1933 die NSDAP die Macht übernahm wurden sofort alle DJK-Vereine verboten. Die gesamte Ausrüstung wurde beschlagnahmt und in Richtung Bielefeld abtransportiert. Von diesen Dingen hat man nie etwas wieder gesehen.
Die finanziellen Probleme des BVS blieben aber weiter unverändert. Die Zahl der Jugendspieler und der 2.Mannschaft wuchs stetig an. Die 1. Mannschaft war ein total verschworener Haufen. Sie traten vor jedem Spiel vor dem Vereinslokal Seithe in Marschformation an, und marschierten gemeinsam laut singend Richtung Sportplatz. Der Rückweg wurde ebenso bestritten; egal wie man gespielt hatte.
BVS Scheidingen 1.Mannschaft 1932 |
V.l. Schiedsrichter
unbekannt, Heinz
Pantschac, Kleiböhmer,
Theo Lutter, Willi Novak,
Josef Nunnemann,
Eberhard Naarmann,
Josef Ester, Fritz Kremer,
Franz Melchers, Paul
Reinert, Theodor
Busemann, Franz Reinert,
Heina Foschepoth.
Ein großes Problem war damals die Transportmöglichkeit. Die näheren Ziele wurden alle mit dem Fahrrad angegangen. Der 1. Vorsitzende Franz Melchers war Gemüsehändler und besaß einen kleinen LKW. Dieser wurde dann ständig als Transportmittel missbraucht. Es war wohl ausgemacht, dass die Spieler einen Anteil von 0,50 Reichsmark zahlen sollten, aber in jener Zeit konnte das kaum einer. Ein Gemüsehändler war damals auch nicht auf Rosen gebettet, aber irgendwie schaffte es Franz Melchers immer, die Fahrten zu organisieren und auch alleine zu finanzieren.
Der BVS Scheidingen musste 1939 den Spielbetrieb einstellen. Alle Spieler wurden zum Wehrdienst einberufen. Für die Weiterführung war auch im Hinterland zu wenig an aktiven und passiven Mitgliedern vorhanden. Die Sorge um den BVS wich der Sorge um die eingezogenen Spieler und aller Eingezogenen aus Scheidingen und Illingen.
Alte Strategen 1931 |
Fünf Aktive V.l. Willi
Steinkamp, Heina
Foschepoth, Willi
Hagedorn, Willi Platte,
Josef Vickermann.